Frau K hat sich beschwert. Ich schreibe zu selten einen Beitrag und nie einen alleine zu Ende. Immer wandert meine Aufmerksamkeit zu anderen Dingen (gerade suche ich parallel nach neuen Tattoo-Motiven). Also hier ein Beitrag von meiner Wenigkeit. Um es mir leicht zu machen, handhabe ich es wie im zeitgenössischen Kino und schreibe einen Sequel zu meinem Beitrag Ein Abendessen im Jumpahom.
Wer den Beitrag verpasst hat, sollte ihn unbedingt lesen. Wem dafür die Zeit fehlt, hier ein Kurzfassung: Ich schreibe übers Essen, als einen zentralen Fixpunkt in unserer Familie und wie ein Restaurant, in dem wir das Essen zelebrieren können, für uns zum temporären Zuhause wird.
In Thailand fanden wir an all unseren Stationen Restaurants an denen wir uns heimisch fühlten und kulinarisch beglückt wurden. Umso aufgeregter waren wir nach Malaysia zu reisen und in die dortige die vielfältige Küche einzutauchen. Malaysias Küche (oder besser Küchen) ist (sind) geprägt von den vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die Malaysia ihr Zuhause nennen. In Penang, Ipoh und KL wohnten wir jeweils entweder in oder an der Grenze zu Chinatown und Penangs Little India war zumindest mein kleiner Sehnsuchtsort.
Angelehnt an den ersten Beitrag will ich euch von einem Restaurantbesuch erzählen, wie er so oder so ähnlich stattgefunden hat. Es ist der letzte Abend in KL und am nächsten morgen geht es mit dem Flieger nach Chiang Mai. Wir haben noch etwas zu viele Ringit übrig und von Geldwechseln halten wir nichts. Also wollen wir uns gönnen, lassen den Foodcourt links liegen und steuern ein „richtiges“ indisches Restaurant an, mit Türen und so. Wir sind früh dran, zum einen wegen des frühen Flugs und zum anderen hoffen wir auf ein leeres Restaurant und eine ruhige Atmosphäre.
Tatsächlich ist das Restaurant bis auf einen weiteren Tisch leer. Dafür voll mit Kellnern. Auf 7 Gäste (inkl. uns) kommen ca. 6 Kellner, die bereits bei der Begrüßung keine Miene verziehen. Wir werden an einen Tisch komplimentiert und es gibt sogar einen Babystuhl. Uns werden die Speisekarten gereicht und während wir versuchen Klein I die Vorzüge eines Babystuhl näher zu bringen (wir könnten ruhiger essen, Betonung liegt auf könnten), mit Groß L irgendein Rollenspiel weiterspielen (wenn wir aufhören sagt er: „Ich habe das Gefühl, dass ihr nicht mehr mitspielt!“), die Speisekarte nach leckeren, Groß-L und Klein-I-gerechten Nahrungsmitteln durchforsten, steht einer der Kellner mit stoischer Miene neben dem Tisch und wartet auf unsere Bestellung. Unser erster Trick, wir bestellen schnell Getränke und versuchen somit Zeit zu gewinnen, geht nicht auf. Der Kellner nimmt unsere Getränkebestellung auf und bleibt, ohne eine Miene zu verziehen stehen.
Bei Frau K bricht der Schweiß aus. Ich habe zum Glück vorher Bilder auf Tripadvisor angeguckt und weiß wenigstens wie mein Essen aussehen soll. Ich muss nur noch das Equvivalent in der Speisekarte finden (zum Glück, gibt es auch in der Speisekarte Fotos!). In der Zwischenzeit steht Klein I in ihrem Babystuhl auf und grabscht nach allem um sie herum. Nachdem Becher usw. aus ihrer Reichweite geschoben sind, versucht sie auf den Tisch zu krabbeln. Gleichzeitig beginnt Groß L zuerst unsere Trinkbecher einzusammeln und aufeinander zu stapeln. Da diese nicht ausreichen, beginnt er die Becher von den Nachbartischen einzusammeln. An dieser Stelle verzieht der Kellner erstmalig die Miene und ich schreite ein, während Frau K Klein I zurück in den Stuhl schiebt und versucht sie abzulenken, um ein weiteres Aufstehen im Babystuhl zu verhindern. Groß L begnügt sich nun mit unseren vier Bechern und beginnt die sich auf dem Tisch befindlichen Servietten feinsäuberlich in kleine Fetzen zu reißen und in die Becher zu verteilen. Wir sind dankbar, dass er sich selbst beschäftigt und auch der Kellner scheint diese Aktivität wenigstens zu dulden. Nur noch davon abgelenkt Klein I vor dem Abstürzen zu bewahren, schaffen wir es die Essensbestellung zu beenden. Auf unsere Frage, ob es möglich wäre, etwas gekochtes Gemüse für die Kinder zu bekommen, werden wir auf Gerichte in der Karte verwiesen, von denen wir leider sicher sind, dass sie durch Groß Ls Essensraster durchfallen. Bleibt das kulinarische Allzweckwerkzeug Reis und der indische Groß L Favorit Bhatura (Balloon-Brot). Vitamine muss er woanders tanken.
Wo Groß Ls Auswahl begrenzt ist, wähnen Frau K und ich uns im siebten Essenshimmel. Wir lieben indisches Essen und sind von der Vielfalt und Qualität des indischen Essens in Malaysia umgehauen. Nichts gegen das Naveena Path in unserem heimischen Wedding, aber das Essen hier ist eine Offenbarung. Im Betel Leaf geniessen wir die enorme Bandbreite an Geschmäckern, indem wir das South Indian Vegetarien Meal, bestehend aus jeweils einer kleinen Portion Chapathie, Sambar Rasam, Dhal, Kootu, Poriyal, Masala, Curd Spicy Curry, Reita und irgendeiner süßen Sauce, bestellen. Dazu noch Naan und ein Betel Leaf Curry und Frau L und ich vergehen vor Vorfreude auf das Essen.
Kurzer Moment zum Durchschnaufen. Nicht. Bevor das Essen kommt, genießen unsere Kinder nun unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, wobei Groß L mittlerweile so vertieft in sein Spiel ist, dass wir nicht mehr mitspielen dürfen. Was das Spiel ist, ist schwer zu sagen, nur das es Becher, Serviettenschnipsel und unser mitgebrachtes Kartenspiel beinhaltet und immer mal wieder seinen Aufenthalt unter dem Tisch bedarf. Klein I ist während dessen schwer vom Ruhig im Babystuhl sitzen zu überzeugen. Vielleicht zu wenig Übung. Aber solange es kein Essen gibt, hält sie nichts und niemand da drinnen. Also zwischendurch wieder Schoß. Auf dem Boden wollen wir sie hier nicht krabbeln lassen, die Kellner machen Frau K ein bisschen Angst. Auch beim Essen würde Klein I am liebsten auf den Tisch krabbeln und sich zwischen die Teller setzen. Die beherbergen jedoch deutlich zu stark gewürzte Kost und wir greifen zu härteren Mitteln. Ein Self-Made-Festschnall-Gurt aus unserem Tragetuch.
Unser Essen kommt. Das Multi-Tasking geht weiter. Mit etwas Überredungskunst, werden die Trinkbecher von den Serviettenschnipseln befreit und mit Wasser gefüllt. Mit zwei Händen und ohne Besteck fange ich an zu essen und Klein I Brocken zu geben. Die Hände sind dabei codiert, links Klein I taugliche Nahrung, rechts scharfes Essen. Brot zu teilen wird zur Denksportaufgabe. Das Essen schmeckt großartig. Frau K und ich müssen uns zwischen durch daran erinnern, WIE großartig. Leider haben wir die Angewohnheit, bei einsetzendem Stress das Essen zu schlingen. Die vielen kleinen Schälchen verhindern dies zum Glück schon rein logistisch. Der Tisch ist voll, Klein I pfeift auf unseren DIY-Gurt und möchte zu diesen ganzen spannenden Schälchen und Becherchen. Frau Ks rechte Hand ist somit bei Klein I und die linke tunkt Brot in leckere Soßen.
Klingt stressig, ist es auch ein bisschen. Dabei dauert die ganze Angelegenheit nicht besonders lange. Nach etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten sind die Schälchen leer, auch das nachbestellte Kashmir Roti verputzt. Groß L hat den Mango-Lassi ausgeschlürft und Klein I eine nicht kleine Portion Reis auf sich und etwa einem halben Quadratmeter um sich herum verteilt. Baby Led Weaning (BLW) wird hier zur Herausforderung. Mit einer Mischung aus Scham, Erschöpfung und Glückseligkeit zahlen wir unsere Rechnung bei einem stoisch dreinblickenden Kassierer und verabschieden uns rasselbandenmäßig vom stoisch dreinblickenden Kellner.
Auf dem nach Hauseweg durch die Häuserschluchten von KL, resümieren Frau K und ich. Wir werden Malaysia besonders wegem dem guten vielfältigen Essen in Erinnerung behalten. Aber meine Fresse freuen wir uns auf lächelnde Kellner*innen, die mit Freude Klein I mit Banane füttern und rumtragen, während Groß L neben dem Tisch sitzend Burgen aus Jenga-Steinen baut.
Love M

Nicht im Betel Leaf. Dort haben wir es nämlich nicht gewagt ein Foto zu machen…